E-Commerce
Veröffentlichung in "Wirtschaft Aktuell" Ausgabe 2/2021 von Frederic Beermann
Die Einführung des OSS-Verfahrens
Die Corona-Krise hat dem stark wachsenden Versandhandel zu einem zusätzlichen kräftigen Schub verholfen. Vor diesem Hintergrund ist die ab dem 01.07.2021 im Versandhandel beginnende neue umsatzsteuerliche Zeitrechnung zu begrüßen. Mit dem Mehrwertsteuer-Digitalpaket ergeben sich grundlegende Neuerungen für den Versandhandel im Umsatzsteuerrecht. Die neuen Regelungen sollen es den Versandhandelsunternehmen ermöglichen, ihre umsatzsteuerlichen Pflichten im Onlinehandel leichter zu erfüllen. Die neuen Bestimmungen dürften in vielen Fällen den administrativen Aufwand erheblich reduzieren.
Versandhandelsreglung und Lieferschwellen
Nach dem Wegfall der Binnenmarktgrenzen zum 01.01.1993 unterliegen grenzüberschreitende Versendungslieferungen an Endabnehmer (B2C) im EU-Ausland grundsätzlich im Bestimmungsland der Besteuerung. Die Besteuerung trat immer dann ein, wenn bestimmte Nettoumsätze, die sog. Lieferschwellen in dem EU-Ausland überschritten wurden. Die Lieferschwellen galten landesbezogen und lagen für die einzelnen Mitgliedstatten zwischen 35.000 Euro (Regelfall) und 100.000 Euro. Mit Überschreiten der Lieferschwelle in einem EU-Land wurde der Unternehmer in dem Land mit seinen Onlineumsätzen umsatzsteuerpflichtig und musste sich dort registrieren lassen und die Umsatzsteuer abführen. Erzielte der Online-Händler in mehreren EU-Ländern Umsätze jenseits der Lieferschwellen, führte dies zu einem erheblichen administrativen Aufwand.
Neuregelung von Fernverkäufen
Das Mehrwertsteuer-Digitalpaket ersetzt die bisherigen landesbezogenen Lieferschwellen für den Versandhandel durch eine einheitliche sämtliche Mitgliedstaaten umfassende Umsatzschwelle von 10.000 Euro. Bei Verkäufen in das EU-Ausland an private Endverbraucher oder andere Nichtunternehmer (B2C) unterliegt jeder weitere Umsatz, der 10.000 Euro übersteigt, in dem jeweiligen Bestimmungsland der lokalen Umsatzsteuer. Lieferungen an private Endverbraucher oder andere Nichtunternehmer (B2C) werden nach den neuen umsatzsteuerlichen Bestimmungen „Fernverkauf“ genannt, wenn der Onlinehändler den Transport veranlasst.
Das OSS-Verfahren
Wie bisher auch ist bei den Fernverkäufen die jeweilige Umsatzsteuer des Bestimmungslandes zu entrichten. Anders als bisher ist aber nicht mehr in dem jeweiligen EU-Land eine Registrierung für umsatzsteuerliche Zwecke vorzunehmen, sondern ab dem 01.07.2021 erfolgt die Meldung für alle Länder zentral beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt). Dieses sog. One-Stop-Shop-Verfahren (OSS) erspart in vielen Fällen die Registrierungspflicht in den einzelnen Ländern. Voraussetzung für die Nutzung des OSS-Verfahrens ist die Registrierung beim BZSt. Erfolgt eine Registrierung nicht rechtzeitig, ist eine Teilnahme an dem Verfahren erst für zukünftige Besteuerungszeiträume (Quartal) möglich.
Konsequenzen für die Praxis
Viele kleinere Unternehmen oder Unternehmen mit geringen Online-Umsätzen, die sich bisher nicht mit den Versandhandelsregelungen beschäftigt haben, da die individuellen Lieferschwellen nicht überschritten wurden, müssen sich mit den neuen Regelungen vertraut machen. Die bloße Registrierung für das OSS-Verfahren reicht in der Regel nicht aus. Das OSS-Verfahren ist nicht auf alle Fallkonstellationen anzuwenden. So sind z.B. Onlinegeschäfte bei sogenannten Fulfillment Service Strukturen (Amazon) oder Lieferungen aus einem Lager in einem anderen EU-Land gesondert zu würdigen. Unter Umständen ist neben der Teilnahme am OSS-Verfahren eine zusätzliche Registrierung in EU-Land notwendig. Besonderes Augenmerk ist auch auf die zukünftige innerbetriebliche Organisation des Fernverkaufs zu richten. Es sind unter Umständen die Lieferstrukturen und das ERP-System anzupassen. Eine genaue Analyse des bestehenden Geschäftsmodells und die umsatzsteuerliche Beurteilung ist damit Pflicht für jeden Onlinehändler.